Warum der Geist unerkennbar ist

Begriffsdefinition: Mit „Geist“ ist an dieser Stelle nicht der Intellekt gemeint, sondern das dem Bewusstsein zugrunde liegende. Das Wesen des Bewusstseins.

*Definition: „Erkenntnis ist nur durch Vergleichen möglich“ (Immanuel Kant)

Kant hat damit klargelegt, wie unser Verstand funktioniert. Wir können nur dann etwas erkennen, wenn ein Vergleich gezogen wird. Wenn etwa von Eiffelturm gesagt wird, er sei riesig, so nur deshalb, weil die durchschnittliche Körpergröße von 1,75 m klein dagegen ist. Fährt man nach Klagenfurt in den Minimunduspark, so erlebt man etwas ganz anderes. Der Eiffelturm ist dort noch 12 m hoch.

Erwin Schrödinger nimmt Bezug auf diese Tatsache, wenn er fragt:
Warum sind nun aber die Atome so klein?
Offensichtlich ist diese Frage eine Ausflucht. Sie zielt ja nicht wirklich auf die Größe der Atome. Sie bezieht sich auf die Größe von Organismen, im besonderen auf die Größe unseres eigenen körperlichen Ichs.

Erwin Schrödinger, Was ist Leben, Piper, München 1987, S.25

Auch die Größe des Universums ist eine Frage, deren Ziel nicht der Kosmos ist, sondern der Mensch in seiner körperlichen Existenz. Die Wirkung der Frage ist die Frage nach der Bedeutung der Körpergröße des Menschen in seiner Relation zum Kosmos.

Die Frage zielt lediglich auf die Irrelevanz der körperlichen Größe des Menschen ab. Letztlich auf die Unfähigkeit unserer Sinne, den Makrokosmos, wie auch den Mikrokosmos zu erfassen. Die „Größe“ des Menschen ist nicht in seiner körperlichen Größe zu suchen. Schrödinger schreibt dazu:
Daß wir fühlen, denken und empfinden, ist aber das einzige, was an uns wahrhaft von überragendem Interesse ist.
Ebenda, S.26f 

und er begründet diese Tatsache mit eben dieser kosmischen Relation, denn:
wenn wir so empfindliche Organismen wären, daß ein einzelnes Atom oder meinetwegen ein paar Atome einen wahrnehmbaren Eindruck auf unsere Sinnesorgane machen könnten – du lieber Himmel, wie sähe das Leben dann aus!
Ebenda, S.27

Genau so lassen sich die makrokosmischen Dimensionen als einzig sinnvoll erachten. Die Erde würde nicht seit 4,5 Milliarden Jahren in majestätisch ruhiger Bewegung um ihre eigene Achse und um die Sonne kreisen, wenn eine andere Relation von Mensch, Erde und Sonne vorläge. Die Größe des Kosmos beruht auf seiner zeitlichen Dauer und diese wiederum alleine ermöglichte die materielle, wie auch die biologische Evolution.

Die Betrachtungen Erwin Schrödingers zielen also auf etwas ab, was in der Kosmologie als Feinabstimmung der Naturkonstanten bekannt ist und die Stellung des Menschen im Kosmos hinterfragt: Die Urknalltheorie, eine Theorie ohne Bedeutung?

Die Frage nach der Größe des Kosmos als rhetorische Frage gilt als Beleg der Unbedeutendheit des Menschen. In ihrer Beantwortung zeitigt sie das genaue Gegenteil.

Erwin Schrödingers Abhandlung „Was ist Leben“ spricht einige sehr interessante Aspekte der Quantenphysik an. Zum einen erscheint die Beständigkeit der biologischen Systeme, der Tatsache geschuldet, dass sie auf Molekülen wie der DNS gründen. Diese wiederum sind stabil, weil sie auf den Gesetzen der Energiequantelung beruhen.

Aus der Psychosomatik wissen wir, dass der Mensch (Placeboeffekt) unbewusst, schließlich durch bewusste gedankliche und emotionale Kraft, körperliche Vorgänge beeinflussen kann. Diese körperlichen Vorgänge beruhen stets auf chemischen Vorgängen, diese wiederum auf Quantengesetzen. Daraus kann man schließen, dass das Bewusstsein schlechtnin einen inneren Bezug zum Quantenphänomen besitzt. Dies nun durch unmittelbare emotionale und gedankliche Einflussnahme auf unseren Körper. Der ganze Bereich der „Quantenheilung“ beruht dieser Idee.

Der Wahrnehmende

oder das Subjekt(Ich). Dieses Subjekt verleiht dem Wahrgenommenen die Wirklichkeit. Wahrnehmung ohne ein Subjekt, ohne den Wahrnehmenden ist nicht möglich.

Das Subjekt ist nicht vergleichbar, es ist stets singulär. Die Welt, die ich als das Nicht-Ich wahrnehme, hat ihre Wirklichkeit durch das Ich, das Subjekt. Das Subjekt ist aber selbst immer und per *Definition unerkennbar. Es ist das was wahrnimmt, aber selbst nicht wahrgenommen werden kann.

Die Frage nach dem Wesen der Welt ist im Grunde die Frage nach dem der sie wahrnimmt

Daher führen die letzten Fragen der Kosmologie und der Quantenphysik zur Frage nach dem Wesen des Forschenden selbst: „Wer bin ich?“

Siehe auch: Ramana Maharishi Unterweisungen

Der Urknall und andere Singularitäten

Der Urknall führt letztlich ebenso auf eine unerkennbare Einheit. Der Kosmos war am Beginn eins, daher ebenso unerkennbar wie das Wesen des Menschen selbst. Ein Unterschied ist nicht auszumachen. Daher ist die Idee des kosmischen Menschen Adam Kadmon der Kabbala nicht so abwegig. Ebenso ist alles, was neu erscheint, jede Geburt, jeder Anfang eine Singularität. Jeder Anfang birgt in sich das Wesen des Unerkennbaren. Daher ist die erste Zahl ebenso singulär und unerkennbar. Was wir von ihr sehen, ist das Symbol. Es birgt das Unerkennbare. Jede Existenz, sofern sie einen Anfang hatte, beginnt mit der unerkennbaren Einheit.

Jeder Moment birgt einen Anfang, der einzigartig ist. Das ist die Zeit, in der sich das Ich ständig neu in die Welt bringt.

Die Frage nach dem Wesen des „Ich“ führt auf zwei fundamentale Entitäten. Die Frage nach dem Raum und die Frage nach der Zeit.

Denn er spricht: „Ich habe dich in der angenehmen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.“ Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils!
2. Korinther 6

Was ist Singularität, was ist Freiheit?

Eine Singularität ist wörtlich eine Vereinzelung. Ein Einzelobjekt gilt landläufig als separiert, isoliert und somit unbedeutend. Oft weisen sich sterbende Teile eines Systems dadurch aus, dass sie sich vereinzeln, isolieren, abschotten und schließlich absterben. Damit steht die Singularität an Ende eines Lebenszyklus. Sie steht jedoch immer auch am Beginn eines Lebenszyklus, denn was in Erscheinung tritt beginnt als Einzelobjekt.

Allgemein bezeichnet demnach eine Singularität einen Zusammenhang, in dem eine kleine Ursache eine große Wirkung hervorruft. Die Existenz von Singularitäten ist für Maxwell vor allem ein Argument gegen den Determinismus und eine absolute Kausalität. Zwar folgen auf dieselben Anfangsbedingungen immer dieselben Ereignisse, doch ist eine solche Aussage von wenig Wert in einer Welt, in der sich die gleichen Anfangsbedingungen nie wiederholen.“ -> Singularität in der Systemtheorie

Eine solche Singularität war der Urknall. Eine solche steht aber auch in der Mitte menschlicher Existenz. Das Ich ist eine Singularität in systemtheoretischem Sinn. Es ist ein Punkt, von den aus permanent Neues ausgehen kann. Insofern ist der Mensch frei. Er ist unfrei, wenn man den Menschen als eingebunden in die ihn umgebenden Bedingungen sieht.

Ich denke, also bin ich„. Dieser Ausspruch von Descartes weist in die falsche Richtung. Das Denken hat selbst kein Sein. Im Tiefschlaf ist der Denkapparat ausgeschaltet. Hätte der Denkapparat eine Eigenexistenz, so wäre er damit auch verloschen. Der Mensch schaltet ihn aber wieder ein, wenn er erwacht. Der Denkapparat wird also benutzt und hat kein eigenes Sein, er bekommt das Sein durch den Menschen. Es müsste lauten: „Ich bin, also denke ich„. Ebenso verhält es sich mit allen anderen Äußerungen des Ich, Denken, Empfinden, Wollen, Handeln.

Erkenner, Erkanntes, Erkenntnis

Der Erkenner wird landläufig als das „Ich“ bezeichnet. Diesem hängen aber Attribute an, wie Name, Alter, Geschlecht, Rang und soziale Stellung. Werden wir gefragt, wer wir seien, so nennen wir gemeinhin den Namen. Der Name ist aber ein Denkobjekt, ebenso wie alle weiteren Attribute, sofern wir dem folgen, was Erwin Schrödinger sagt: „Daß wir fühlen, denken und empfinden, ist aber das einzige, was an uns wahrhaft von überragendem Interesse ist.“ Erwin Schrödinger, Was ist Leben, Piper, München 1987, S.26

Darauf reduziert hat das Sein vier wesentliche Äußerungsformen: Denken, Empfinden, Wollen, Handeln. Werden diese Äußerungsformen eingestellt, so fällt der Mensch in Tiefschlaf.

In Indien hat man eine Metode entwickelt, durch welche der Fall in die Bewusstlosigkeit unterbunden werden kann: Meditation. Dabei werden Erkenner, Erkanntes und Erkenntnis eins.

Die Menge der ganzen Zahlen ist ein Spiegel dessen, was oben formuliert wurde. Die erste Zahl der Zählfolge ist die Zahl Eins, eine Singularität. Sie ist aber gleichzeitig jene Zahl, die alle weiteren Zahlen bildet und woraus sie ausschließlich bestehen. Nun kann man einwenden, dass die Eins doch wohl erkennbar sei. Sie ist es indessen nicht, nur ihre Symbole sind erkennbar.

Ich will ein Beispiel geben:

In einem abgedunkelten Raum befindet sich ein leuchtender Punkt. Dieser Punkt soll als Emblem für Singularität stehen. Nun kann man drei Faktoren als Voraussetzung für diese Wahrnehmung unterscheiden. Den Erkenner (ich), das Erkannte (der Punkt) und weil das erkannte Objekt erkannt wird und nicht unerkannt im Raum steht, tritt die Erkenntnis hinzu. Drei Faktoren. Um zur Einheit zu kommen, muss das Subjekt (ich) und das Objekt eins werden und sich als Eins erkennen. Erkenner, Erkanntes und Erkenntnis sind eins in und durch das Sein.

ErkennerErkenntnisErmanntes

Meditation wendet diese Methode auf das Ich an. Dem Ich hängen stets Attribute an. Es identifiziert sich mit Identität stiftenden Empfindungen und Denkvorgängen. Diese zu unterlaufen, um zum Sein zu gelangen ist Meditation. Dazu gibt es unterschiedliche Methoden.

Ich möchte hier nur deutlich machen, dass der Begriff Singularität aufs Engste mit dem Wesen des Menschen verknüpft ist. Dass auch der Urknall eine Singularität war, dass Singularität ebenso der Quell aller Freiheit ist, und dass Neues aus Singularität entsteht. Schließlich ist Singularität per *Definition unerkennbar, aber ebenso unabdingbarer Bestandteil unserer Welt. Singularität ereignet sich von Moment zu Moment.

5 Kommentare

  1. […] Die Feinabstimmung der Naturkonstanten ist, wie sie ist und wir haben derzeit nach menschlichem Ermessen keine Erklärung dafür. Eine Interpretation, welche den Kosmos als „so seiend“ ansieht benötigt keine Aussagen über Zufall oder Absicht. Ich denke dass eine solche Interpretation unter die Rubrik „teleologisch“ (zielgerichtet) fallen würde. Das ist jedoch falsch, denn in der folgenden Interpretation sind die Dinge, wie sie sind. Dennoch nenne ich sie der Ordnung halber quasi teleologisch. Sie besitzt den einzigen Vorzug, dass sie sich auf Mystiker, Philosophen und den Buddhismus bezieht. Letztlich füchte ich, dass wir die Fragen falsch stellen. -> Warum der Geist unerkennbar ist […]

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  2. Es gibt zu allem seine Gegenteile – wenn Geist als Beziehung von allem zu allem aufgefasst ist, in, und zwischen den Dingen anerkannt wird, so braucht er kein Bewusstsein darüber, weil dies nur Notdürftig, als bedingt, beschränkt und begrenzt erkannt wird, muss das Bewusstsein sich selbst in frage stellen können, um expandierender Geist zu sein. Um solches wahrnehmen zu können, bedarf es kaum Simulationen..

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    • Ihre Frage zielt darauf ab, wie denn überhaupt etwas entstehen konnte, so es denn nur den Geist gibt. Die Antwort liegt in der Tatsache, dass etwas existiert. Aus dieser Existenz heraus kann man nun die Frage stellen, wo der Grund dieser Existenz liegt. Man kommt dann entweder in einen Zirkelschluss, in immerwährendes Fragen, nach dem Davor und warum, oder man stellt die Fragen ein. Das tun z.B. Buddhisten, wenn sie meditieren. Sie treten dann in das Sein ein. Man ist also hier gezwungen diese Klippe zu überspringen und das Sein als Grund anzuerkennen, will man aus diesem Zirkel entkommen. Es gibt keine logische, rationale Antwort drauf, WEIL der Geist unerkennbar ist. Er muss es sein, als Voraussetzung für Existenz per se. Anders gesagt: Dorthin gibt es keinen intellektuellen Weg.

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